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Bestattungsunternehmer Joachim Tonezzer im Gespräch

Online seit: 24.09.2020

„Gott sei Dank kann ich abschalten“

 
Bestattungsunternehmer Joachim Tonezzer im Gespräch.
Notfallseelsorge wird von Angehörigen sehr gut angenommen.


Seit nunmehr 23 Jahren ist Joachim Tonezzer aus Schlanders als Bestatter tätig. Mit dem Tod ist er tagtäglich konfrontiert. Die vergangenen Tage befand aber auch er sich im Ausnahmezustand.

Wenn Menschen verunglücken, kommen Menschen, um ihnen zu helfen. Joachim Tonezzer aus Schlanders ist auch einer jener, die kommen, wenn sie gebraucht werden. Der 40-Jährige ist selbst ein Retter, ein Freiwilliger der Feuerwehr Schlanders. Joachim Tonezzer ist aber auch Bestattungsunternehmer.

Somit war seine Arbeit nach dem Abschluss der Rettungsaktion nicht beendet. Tonezzer war am Montag als Feuerwehrmann selbst vor Ort und hat mitgeholfen, die Verletzten aus dem zerstörten Zug zu holen. Seit Montag war er mehr als 18 Stunden täglich auf den Beinen. „Es war der totale Ausnahmezustand“, sagt Tonezzer.

Seit 23 Jahren ist er in seinem Beruf als Bestatter tätig. Er kümmert sich dabei umalles, was im Vorfeld einer Beerdigung notwendig ist. Erlebt hat er in den vergangenen Jahren schon einiges: Tragische Situationen, verzweifelte Angehörige, dramatische Szenen. Sein Beruf hat mit Trauer und Leid zu tun. „Ich möchte nicht überheblich klingen, aber bis dato hatte ich damit kein Problem“, sagt Tonezzer. Er habe vielleicht und „Gott sei Dank“ die Gabe, abschalten zu können. Jeder kennt die Situation, die Konfrontation mit trauernden, verzweifelten Menschen. Was macht ein Bestatter, der so zu sagen von Berufs wegen damit zu tun hat, und vor allem was, wenn diese Situation derart massiv eintritt? „Wir haben im Vinschgau das Glück, dass die Notfallseelsorge super funktioniert“, erklärt Tonezzer. Seit es dieses Angebot gebe, „sind wir weniger intensiv mit wirklich dramatischen Szenen konfrontiert.“ Sprich: Das Angebot der geschulten Freiwilligen werde von den Angehörigen mehrheitlich angenommen, weiß der Unternehmer. „Zudem ist es so, dass, wenn die Angehörigen zu uns kommen,

sie meist gefasster sind. Dadurch, dass wir innerhalb kurzer Zeit eineMenge an Informationen abfragen, sind sie vielleicht auch einwenig abgelenkt.“ Was Tonezzer von den letzten Tagen besonders im Gedächtnis bleiben wird, sind die Szenen, die sich vor der Leichenkapelle des Schlanderser Krankenhauses abgespielt haben. Schockierend sei es gewesen,mit welcher Pietätlosigkeit manche Kamerateams auf die Angehörigen losgegangen seien. „Einen Vater, eine Mutter, eine Tochter oder einen Sohn nach der Identifizierung eines Angehörigen interviewen zu wollen, finde ich für den Betroffenen entwürdigend“, sagt er.

Um für Tonezzer und sein Team ein ungestörtes Arbeiten zu ermöglichen, musste sogar der Schlanderser Dorfpolizist geholt werden, der die Pressevertreter in Schach hielt.

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